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Corporate Tribe

 

 

 

Intro

Wenn wir uns darum bemühen, mit Belastungen besser fertigzuwerden, sind die Wege vielfältig: Yoga, Zeitmanagement, Fachfortbildung, Wellness, Coaching, Talentförderung, Naturerfahrung... Jeder Ansatzbietet Ausbruchsmöglichkeiten aus Konstellationen vertrauter Einengung und Belastung, mal durchErhöhung der Leistung, mal durch Stärkung der Psyche, mal durch Entlastung und Entspannung.

Die Beispiele und die meisten Angebote richten sich darauf, einen individuellen Weg zu gehen, der fürmich oder Dich die bestmögliche Entlastung und Entfaltung bietet.

Die psychologische und soziologische Forschung, so erfahre ich auch aus der Literatur, legt darüberhinaus etwas ganz anderes nahe: Schlüsselfaktoren für hohe indiviuelle Resilienz, also die „Fähigkeit,„auf die Anforderungen wechselnder Situationen flexibel zu reagieren und auch stressreiche,frustrierende oder sonstwie schwierige Lebenssituationen zu meistern“ (Wikipedia) sind nebenemotionaler und intelektueller Intelligenz demnach:

- Familie

- Aufwachsen in einer eher kollektivistischen Gemeinschaft oder Gesellschaft

- Ausgeprägte und gelebte Gemeinschafts- und Gruppenwerte

Programme, die erfolgreich Resilienz bei jugendlichen förderten, arbeiteten i.d.R. über Mentoring,Gruppenbildung und Gruppenerfahrung, also durch die Schaffung clan- und familienähnlicherErfahrungen.

Resilienz ist für den Homo Sapiens also mehr eine Frage des „wir“ statt des „ich“? Demnach wären in der Berufswelt Belegschaften, Mitarbeiter- und Kollegen das entscheidende Potential für Resilienz. Ist an derSicht etwas dran, über die banale Tatsache hinaus, daß funktionierende Teams angenehmer sind als gestörte? Lassen sich Teams gezielt als Basis für Resilienz jedes einzelnen fördern? Welche

Rahmenbedingungen, Strukturen, Vorgehensweisen sind erforderlich und hilfreich? Wie verträgt sichdies mit unterschiedlichsten Arbeitsanforderungen, Qualifikationen und Erfahrungsständen vonTeammitgliedern, konkreten Arbeitssituationen? Wo sind die Grenzen und Gefahren einer„Verkollektivierung“ von Mitarbeitern?

Diese Fragen möchte ich in dem als Artikelserie angelegten Beitrag „Corporate Tribe“ beleuchten. DieTrennung in einzelne Abschnitte erlaubt Ihnen Antworten auf einzelne Teilthemen:

 

1. Corporate Tribe: Team als Resilienzförderung

2. Nachahmenswerte indigene Strukturen

3. Konstituierende Rituale

4. Transitionen: Anfänge, Übergänge, Ende im Corporate Tribe

5. Mitwirkung und inneres Wachstum

6. Start und Aufbau eines Corporate Tribe

7. Jagdgründe und Schutzwälder

8. Loyalität und Multiple Loyalitäten

9. Corporate Tribe vs. Tribalism

10. Fazit

Mit freundlichem Gruß

 

 

1. Corporate Tribe: Team als Resilienzförderung

Resilienz durch Teamentwicklung setzt genau da an, wo die meisten Probleme entstehen, derenthalbenwir Resilienz bedürfen, also direkt an dem Arbeitsumfeld. Zu heutigen Belastungen gehören:

- die wachsende Frequenz von Kommunikation, wachsende Anforderungen an technologischeFertigkeiten (e-mail, chats, online-Konferenzen) in der Kommunikation- allgegenwärtiger Sozialstreß wie Mobbing, Intrige, Tratsch

- in der Belegschaft unpopuläre Aufgaben (Veränderungsprojekte, Revisionen...) führen zurAusgrenzung damit befaßter Mitarbeiter im Kollegium- Aufgaben werden in sich immer komplexer- Projektstrukturen machen die Organisationen und die persönlichen Arbeitsbeziehungen immerkomplexer. Es gibt Firmen, in denen jeder Mitarbeiter durchschnittlich mehr als 15 Teams angehört.

Dies schafft Streß schon durch die multiplen, konkurrierenden Loyalitätspflichten (siehe 7.)Mission, Motto und Wertekanon als Teil der Unternehmensstrategie: Manch einer assoziiert mit diesenBegriffen abgehobene Beratersphären. Manchen von Ihnen wurden diese vielleicht schon mehrfach alsneue Heilsbringer dieser in Ihrer Firma verkündet. Die Motive solcher Kampagnen sind oft durchsichtig –Motivation als Faktor der puren Leistungssteigerung – und die eingeforderten „Werte“ werden von derFührung vielfach nicht vorgelebt. Glücklicherweise gibt es auch viele Unternehmen, wo eine von obenbetriebene Entwicklung der Unternehmenskultur sichtliche Vorteile für alle bringt. Doch selbst wenndies erfreulicherweise der Fall sein sollte: Hinsichtlich des persönlichen Ressourcenmanagements,hinsichtlich der konkreten Streßfaktoren für den einzelnen hat diese Strategieebene nur beschränktenEinfluß.

Vielfach wird empfohlen und praktiziert, durch Betriebsfeste, Teamparties und andere gesellschaftlicheVeranstaltungen eine „soziale“ Komponente einzubringen. Auch dies ist hier nicht gemeint. Ich haltediese Elemente für unschädlich, aber hinsichtlich der inneren Resourcenförderung nutzlos. Ich habemehr als einmal ganze Firmenbelegschaften mit schizoider Grundstruktur beobachtet, die esfertigbringen, bei Betriebsfesten zwei mal im Jahr völlig aus sich herauszugehen, sich zu verbrüdern und zu befreien, alle sozialen und hierarchischen Schranken für Stunden einzureißen und in euphorischer Stimmung den Abend zu beenden – und am nächsten Morgen ansatzlos in einen Modus gnadenlosen Dauermobbings und gelebten Hasses zurückzukehren, als sei gestern nichts gewesen. Dieser traurige Zustand währt dann weitere sechs Monate, um beim nächsten Fest wieder für ein paar Stunden ausgesetzt zu werden.

Das kann es doch nicht sein? Ist aber leider oft der Fall. Wir brauchen die Teamstärkung hier, jetzt, verbindlich, im konkreten Job, im Arbeitsprozess, am Arbeitsplatz. Wir verbringen als Vollzeitbeschäftigte mit unseren Kollegen mehr Zeit als mit irgendeinem Angehörigen, Partner oder Freunden, und wir tun gut daran, dies als Lebenssituation wichtig zu nehmen und zu gestalten – und eben auch als Lebensgemeinschaft.

„Corporate Tribe“ als Schlagwort für das hier vorgestellte Konzept zielt darauf ab, resilienzfördernde Tugenden einer Stammesgesellschaft oder eines Clans in das lokale Team zu übertragen, also eine übersichtliche Gruppe als Werteträger, Orientierungsrahmen, Auffangmedium, Solidaritätszelle, Wissensgemeinschaft, Diversitätszensus, Feedbackschirm....

Corporate Tribe hat, richtig angewandt, Produktivitäts- und Motivationssteigerung im betreffenden Team zur Folge. Der entscheidende Unterschied zu anderen Teamkonzepten ist die Reihenfolge der Ziele: Resilienzfördernde Aspekte des Teams stehen an erster Stelle, sind nicht Mittel zum Zweck und müssen auch bei praktischen Zielkonflikten ein spürbarer Einflußfaktor sein (Teamsitzungen sollten z.B. aus so gut wie keinem Grund ausfallen oder verschoben werden). Der minimale Gewinn für das Unternehmen besteht darin, daß Teams, die Ihre Arbeit sowohl integer als auch resilienzfördernd Gestalten, ausfallsicherer und verläßlicher arbeiten.

Eine hohe Leistungsbereitschaft ist dabei kein Widerspruch, sondern Einstiegsvoraussetzung, da der Aufbau eines Corporate Tribe für alle zunächst einmal höhere Ansprüche an das Engagement stellt. Es ist dabei nicht die Absicht, durch mißverständliche Familiarität eine emotionalisierte Gruppendynamik zu entfachen: Verzichten Sie ruhig zu Anfang auf das persönlichere „Du“ und bleiben sie beim verbindlichen und distanzierenden „Sie“; Nähe will erarbeitet werden und verdient sein.

Orientieren wir uns eng an der unternehmerischen Aufgabe, bleiben wir konkret – welche Möglichkeiten sich dabei bieten, zeigen die folgenden Abschnitte.

2. Nachahmenswerte indigene Strukturen

Bevor wir uns der Anwendung von Corporate Tribe in mitteleuropäischen Arbeitssituationen zuwenden, wäre ein Überblick sinnvoll, welche indigenen Strukturen überhaupt als Vorbild taugen. Ein berechtigter Einwand war, warum die Kulturen Australiens und der beiden Amerikas als Vorbild taugen sollen, wenn sie in der Auseinandersetzung mit den Europäern in den letzten 500 Jahren offenkundig den kürzeren gezogen haben und als Kulturen zerfallen sind.

Ganz klar eignet sich ein romantisiertes Bild vom edlen Wilden angesichts der desolaten sozialen Verhältnisse unter heutigen Ureinwohnern nicht als Vorbild. Allerdings spielen auch nichtkulturelle Elemente wie genetisch bedingte Anfälligkeit für europäische Seuchen eine entscheidende Rolle bei der humanitären und militärischen Katastrophe dieser Kontinente.

Interessant aus meiner Sicht ist nicht der Niedergang der letzten 500 Jahre, sondern die teils 10'000 Jahre (Australien) währende Stabilität von Gesellschaften, die Fähigkeit, Öko- und Wirtschaftssysteme im kontinentalen Maßstab stabil zu bewirtschaften. Als Vorbild oder Anregung eignen sich m.E. folgende Elemente dieser Gesellschaften:

Funktionsführerschaft: Viele indigene Gesellschaften funktionierten ohne zentrale oder personifizierte Führungsinstanz. Die ankommenden Weißen hielten dann vergeblich nach „Häuptlingen“ Ausschau oder setzten kurzerhand welche ein. Statt dessen galt das Prinzip, daß die Führung auf den für diese Aufgabe anerkannt Fähigsten übergeht. Der beste Tracker führt die Suche, der beste Jäger die eigentliche Jagd, der beste Taktiker Verhandlungen, etc. Bei Ende der konkreten Anforderung erlischt auch die Führungsrolle. Grundlage dieses Verhaltens ist die Auffassung, jeder habe im Kreis des Lebens seinen Platz und seine besondere Berechtigung und damit in seinem eigenen Thema auch besondere Autorität.

Weg des Lernens: Die Ausbildung zum Mann dauerte bei den Aboriginies 27 Jahre. Bei den Cherokee galt ein Mensch erst mit 51 Jahren als erwachsen, und auch nur dann, wenn die bis dahin erforderlichen Initiationen durchlaufen worden sind. Ein Aboriginie beherrscht im hohen Alter tausende von heiligen Gesängen, es brauchte ein langes Leben, diese überhaupt lernen zu können. Menschen sind im Strom der Generationen Instanzen der Manifestation gemeinsamen Wissens, wichtig bei der Weitergabe an die nächste Generation. Zu lernen ist daher ein lebenslanger Auftrag und Quelle des Friedens.

Polydimensionalität: Indigene Gesellschaften drücken die Vielschichtigkeit des Menschseins durch Schaffung mehrerer Bezugsebenen. Es gibt Geschlechterrollen, Familienclans, Nachbarschaftsclans, Totem- und Medizinclans. Jeder dieser Horizonte bezieht sich auf eine andere Ebene des Seins und kann daher gar nicht kongruent sein. Dies bietet jedem ein flexibleres Gerüst, seine ganz individuelle Art in das gesellschaftliche Umfeld einzubeschreiben und auszuleben. Hier ist es leichter, sich „aufgehoben“ zu fühlen. Zugleich fordert jeder Horziont eigene Loyalitäten, wodurch Menschen in traditionalen Gesellschaften mit multiplen Loyalitäten aufwachsen. Statt sich damit wie Menschen westlicher Prägung überfordert zu fühlen, sehen indigene Menschen diesen Zustand als ständigen Apell und ständige Einladung, ein Leben in Balance selbst neu zu definieren Alltag in Zeremonie: Indigene Gesellschaften unterscheiden vielfach nicht zwischen sakral, zeremoniell und profan. Letztlich jede noch so alltägliche Tätigkeit wie putzen oder holzhacken hat eine Komponente, die auf das Ganze verweist. Vor dem Trinken wird ein Schluck geopfert, vor einem neuen Arbeitsschritt im Team, z.B. beim Hausbau, wird durch einen geheiligten Gesang die Gruppe auf eine Wellenlänge geholt. Vor der Jagd wird für die Spezies der Beutetiere gebetet, nach der Jagd für die Geschenke gedankt. Nichts ist selbstverständlich, alles, auch wenn es in diesem Moment unangenehm scheinen mag, grundsätzlich offen für die innewohnende Schönheit des Seins. Ausgleich von Geben und Nehmen: Es gibt keine „soziale Buchführung“ wie in westlichen Gesellschaften, der zufolge jeder Gefallen, der erwiesen wird, jenem erwidert werden muß, der ihn erwiesen hat. Es besteht jedoch eine individuelle Verantwortung, Geben und Nehmen sowohl auf persönlicher als auch kollektiver Ebene insgesamt im Gleichgewicht zu halten. Für alles, was ich empfange, sollte ich irgendwo etwas geben, nur eben nicht unbedingt dorthin, von wo ich empfangen habe. Dies zu beachten oder mißachten, wird Spuren in der Persönlichkeit hinterlassen, für welche die gesamte Gemeinschaft wiederum empfänglich ist, wenn es um die Anerkennung des einzelnen geht.

Pragmatismus: Pläne zu haben ist gut, jedoch wichtiger noch ist das Ideal, jederzeit im Einklang mit den wirkenden Kräften zu leben. Dies führt zum Konzept der „Indian Time“ (von Westlern gerne verunglimpft als indianische Ausrede, unpünktlich sein zu dürfen): Pünktlichkeit ist, genau im richtigen Moment dort zu sein, wo zu sein gerade am wichtigsten ist. Dies kann bedeuten, eines vorverlegen, ein anderes verschieben zu müssen. Es wird deutlicher, wie stark in der Realität mein Handeln von meinen Entscheidungen abhängt, etwas wichtig zu nehmen. Indian Time ist die jederzeitige Bereitschaft zur Kursanpassung.

Synchronisation: Ein gutes Leben hat drei grundlegende Voraussetzungen: Wissen, Lehrer und Gemeinschaft. Die Gemeinschaft wird durch ständig wiederkehrende, vielschichtige Riten in sich auf das Neue synchronisiert und aktualisiert. Dadurch bleibt für den Einzelnen der Bezugsraum klar.

3. Konstituierende Rituale

In einem meiner jüngeren Projekte führte ich in den Teambesprechungen die Talking-Stick-Zeremonie ein. Nach dem Vorbild indigener, traditionaler Gesellschaften in Nordamerika „kreist“ das Rederecht nach definierten Spielregeln und mit erklärter Aufgabenstellung in der Runde mit dem Ziel der Konsenserarbeitung. Kennzeichen dieser Zeremonie ist, daß ein dinglicher Sprechstab weitergereicht und der eigene Beitrag mit einer feststehenden Formel (in den diversen indianischen Sprachen oft auf

„alle Verwandten“ im Kreis des Lebens verweisend und damit Verbundenheit ausdrückend) bei der Stabübergabe verbindlich abgeschlossen wird – bis der Stab im Kreis zurückkehrt. Für die Projektzwecke modifizierte ich das Zeremoniell, indem ich den Stabinhaber oder die Inhaberin zum/zur Diskussionsleiter/in machte: Für den konkreten Aufgabenbereich setzte er/sie für den Moment das Thema und hatte die Hoheit über den Abschluß der Diskussion (nicht über die Entscheidung!).

Das betreffende Team war mit mehr oder weniger sanftem Druck aus völlig verschiedenen Bereichen auf einen Schlag für den Projektauftrag zusammengestellt worden, und es war klar, daß die Abwicklung über ein Jahr in Anspruch nehmen würde. Sie kriegen eine vage Ahnung der Stimmung im Projekt, wenn ich ihnen nur soviel sage, daß das vorhaben zunächst äußerst unpopulär und die Chancen eines Mißerfolgs unverhältnismäßig hoch waren. Mit keinem der Teammitglieder hatte ich je zuvor zusammengearbeitet, und dies galt auch für die meisten Teammitglieder untereinander.

Ich weiß nicht, ob Teammitglieder die Einführung eines Sprechstabs anfangs als lächerlich empfanden. Verdenken würde ich es niemanden, denn so gut wie keiner hatte von dieser Praxis auch nur gehört. Vielleicht wagte es nur niemand, vorhandene Vorbehalte zu zeigen, vielleicht war da auch Interesse, direkte Rückmeldung bekam ich nur von einer Person.

Welche Bedeutung der Sprechstab für das Team erlangt hatte, wurde erst 10 Monate später klar. In jener Phase wurde mir der Ärger rund um das Projekt selbst etwas zuviel. Ich begann, klassische psychologische Fehlleistung, den Sprechstab, den ich bis dahin immer in meiner Tasche gehabt hatte, zu den Teambesprechungen zu vergessen. Und da passierte das Eigentümliche: Die Teammitglieder setzten kurzerhand eine Getränkeflasche gleicher Farbe als Sprechstab ein setzten so den gewohnten Modus durch. Dies passierte drei mal, bevor der eigentliche Stab endlich regelmäßig in die Runde zurückfand.

Das Team hatte in dieser Situation mindestens zwei weitere Möglichkeiten der Reaktion: a) den eamleiters vermeintliche neue „Vorgabe“ für den Teammodus widerspruchslos hinnehmen und b) den Abschied vom unüblichen Ritual mit stiller Erleichterung oder Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Statt dessen kam es zu einem Signal, das auch die Qualität eines Rückhalts für den Teamleiter selbst annahm.

Monate später kam es zu einem Gespräch darüber, und die Leute erklärten mir, es habe sich einfach

„falsch angefühlt“, auf den Sprechstabmodus zu verzichten.

Was war hier passiert?

Das Sprechstabverfahren, in seiner business-Variante von den US-Amerikanern auch „round robin“

genannt, ist ein demonstrativ egalitäres und konsensorientiertes Element der Teamkommunikation. In

der genannten Runde diente der Sprechstab dem Kurzbericht aus den Projektbereichen und der Lösung

von Koordinationsanforderungen zwischen den Bereichen, soweit aus den Bereichen heraus

thematisiert. Darin saßen Leute mit fünf Wochenstunden Projektbeitrag neben vollzeitig

Abkommandierten, Leute ohne Budgetbefugnis neben Leuten mit Verantwortung für Millionenbeträge

innerhalb des Projekts, noch in der Ausbildung befindliche Sachbearbeiterinnen neben langjährig

erfahrenen Geschäftsführern. Das Verfahren signalisierte, daß jeder von ihnen zunächst einmal

Teammitglied ist, mit gleichberechtigtem Sitz und Stimme in der Runde.

Und genau dies ist auch die entscheidende Wahrheit, die bei einem resilienzfördernden Team in den

Vordergrund zu stellen ist. Teams schaffen interne Vertraulichkeit, also einen Horizont fachlicher und

persönlicher Informationen und Bewertungen, die sich von der Außensicht der Kollegen naturgemäß

zunehmend absetzt. Es wäre zum Beispiel hochproblematisch, würden Teammitglieder die

Gruppenvertraulichkeit nicht respektieren und die aus intensiver Zusammenarbeit unvermeidlich

erwachsenden intimeren Informationen über Stärken und Schwächen der Einzelnen Teamkollegen und

des Teamprozesses unkontrolliert für Tratsch außerhalb des Teams einsetzen. Hier kann die Schreibkraft

dem Teamerfolg genauso gefährlich werden wie der Geschäftsführer. Bestimmte Formen der

Indiskretion liefen mittelbar auf eine faktische Fehlerintoleranz im Team hinaus und würden damit

jeglichen Mut zum persönlichen Wachstum bei dem Einzelnen ersticken. Auch jemand, der „nur“ dafür

da ist, die Protokolle für die Teambesprechung zu führen, ist gerade bei brisanten Projekten in dieser

Hinsicht erfolgsentscheidend. Das ist auch ohne Corporate Tribe so, doch konstituierende Rituale tragen

dieser Wichtigkeit sichtbarer Rechnung.

Themen, die nicht konsens- oder sonstwie sprechstabtauglich sind, werden eben außerhalb dieses

Verfahrens behandelt. Diese Trennung hält für das Team sichtbar die Grenzen klar

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Gleichzeitig sind Teams hinsichtlich der Wahrnehmung und Bewertung von Sachverhalten und

Situationen ein verkleinertes Spiegelbild des sie umgebenden Unternehmens und damit der internen

Kunden des Projektes. Ein Sachbearbeiter betrachtet eher Detailaspekte als wichtig, der Manager denkt

eher in Konstellationen und Gesamtzielen. Der Sachbearbeiter ist dabei in seiner Wahrnehmung oft der

Kollegen- oder Kundenwahrnehmung näher. Durch seine Stellungnahmen erfahren wir eher, wie des

Teams aktuelle Schritte voraussichtlich „draußen“ ankommen werden, oder auch, welche Ängste,

Vorbehalte, Frustrationen im Team gerade Thema sind und potentiell den Fortgang blockieren.

Dies setzt praktizierten Respekt voraus. In einer von VERDECKTEN Ritualen der wechselseitigen

Entwertung geprägten Geschäftskultur – ritualfreie Arbeitswelten gibt es ohnehin nicht – braucht dies

wiederum leicht lesbare, stark konturierte und bewußt eingegangene Rituale zur Sicherung dieses

Respekts.

Das Team lernt dank konstituierender Rituale sehr schnell, und das Vehikel ist die Behandlung der

unvermeidlichen Regelverletzungen, die dank der strikten Form leichter erkennbar und beschreibbar

werden. Jugendliche Teilnehmer eines Naturschulprojektes konnten bei einer Befragung anhand der

Gruppenrituale nach kurzer Zeit den Wertekanon der Gruppe, der sich herausgebildet hatte, in Worte

fassen – ohne daß auch nur die Existenz eines solchen jemals offen angesprochen worden wäre.

So war es in dieser Beispiel- wie in anderen Organisationen kein unübliches Verhalten, die vermeintlich

naiveren Beiträge, z.B. von noch in Ausbildung befindlichen Kollegen, mit Spott zu kommentieren. Geht

dies unwidersprochen durch, lernen die Betroffenen rasch, lieber den Mund zu halten. Als dies einmal

während der Sprechstabrunde passierte, als eine solche junge Kollegin den Stab hatte, war die Chance

gekommen, als Teamchef in das Verfahren einzugreifen und Respekt für die momentane Stabhalterin

einzufordern und anschaulich zu begründen. Lachen darf immer sein, jemanden verlachen nicht. Es

wurde zu einem moderat schmerzhaften Moment der Bewußtwerdung für die Gruppe, und von da ab

war klarer: Auch diese Kollegin schützt loyal die Integrität des Teams und verdient schon dafür Respekt.

Und angesichts der drückenden Unterversorgung des Teams mit Ressourcen (kennen Sie sicher auch)

konnte das Team es sich gar nicht leisten, freiwillig angebotene Beiträge zu verachten.

Konstituierende Rituale können also lückenlos, ohne Zeit- und Resourcenopfer, mit den Alltagsaufgaben

verzahnt werden. Es kommt gar nicht erst zur Trennung von Teambuilding und Motivationsarbeit

einerseits und operativer Aufgabe andererseits. Durch ihre Form schaffen sie Wiedererkennbarkeit und

fördern Bewußtwerdung hinsichtlich der eigenen Positionierung. Reiche ich z.B. den Stab weiter, ohne

etwas gesagt zu haben, habe ICH auf das Wort verzichtet, und es waren nicht die ANDEREN, die mich

nicht haben zu Wort kommen lassen. Sie sind Manifestation eines sich aus dem Nichts manifestierenden

WIR und sind Vehikel für das Vertrauen, das in der professionellen Sphäre niemals vorausgesetzt

werden kann, sondern das Teamleiter und Team sich mühsam erarbeiten müssen.

Ich warne übrigens davor, Sprechstab oder round robin ohne qualifizierte Anleitung und entsprechendes

Coaching aus dieser Beschreibung anzuwenden zu versuchen: Ich selbst hatte 10 Jahre Praxiserfahrung,

befor ich die Technik in die berufliche Sphäre übernahm. Ungeschickt gehandhabt kann die Methode

desaströse Effekte hervorrufen.

4. Transitionen: Anfänge, Übergänge, Ende im Corporate Tribe

Leute kommen, Leute gehen, und sei es, daß sie in der Firma in andere Aufgaben abberufen werden

oder der Teamauftrag sich entwickelt und daher neue Fachbeiträge hinzugezogen werden müssen. Auch

in Ihrem Corporate Tribe wird das so sein.

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Die Empfehlung aus praktisch allen traditionalen und indigenen Gesellschaften hierzu ist es,

Veränderungsschritte wie Ankunft, Abschied, Beförderung zeremoniell zu überhöhen und damit den

emotionalen Schritt der Teilnehmer in einen neuen Operationsmodus der gesamten Gruppe zu

erleichtern. Form führt Emotionen.

Für eine Begrüßung und einen Abschied darf als allgemein üblich vorausgesetzt werden, daß eine

leitende Persönlichkeit hierzu zumindest einige Worte der Erläuterung und Vorstellung verliert. Im

Konzept des Corporate Tribe liegt es nahe, dies etwas weiter auszudifferenzieren und damit das

Wachstum von Teilnehmern in der Gruppe und in die Gruppe hinein deutlicher sichtbar zu machen.

Situative Führung ist ein Konzept, wonach Mitarbeiter nach ihrem persönlichen Reifegrad mit

unterschiedlichen Führungsstilen zu führen seien. In Anlehnung daran und an traditionale

Initiationsriten kann man den Einbindungsgrad in die Gruppe abstufen. In vielen Unternehmen und

Teams fallen die Beteiligten mit der Tür ins Haus, indem bereits zum Einstieg die Vornamensanrede als

Signal für niedrige Schwellen und persönlichere Atmosphäre angedient wird. Ich selbst biete diese, so es

in meiner Gestaltung steht, einem neuen Teammitglied frühestens dann an, wenn dieses Commitment

für die anderen Teammitglieder an den Tag gelegt hat. Weitere mögliche Signale für wachsendes

Vertrauen in „den Neuen“ sind schrittweiser Zugang zu Entscheidungsprozessen, Delegationen,

Sonderveranstaltungen etc.. Entsprechende Privilegierungen sollten dabei in einem nachvollziehbaren

Zusammenhang zu demonstrierten Qualitäten stehen, welche sich wiederum vor allem daran

ausgerichtet sein sollten, die Vertrauensbasis innerhalb des Teams auszubauen.

Ein neues Teammitglied durchläuft dann, sichtbar zumindest für die Teammitglieder, die länger dabei

sind, Stufen der Aufnahme und Integration, bis es in Schritten die Vollintegration erreicht. Besonders

stark werden diese Initiationen wirken, das legen jedenfalls Erkenntnisse aus Gruppen für Therapie von

schwer gewalttätigen Straftätern in deutschen Jugendstrafanstalten nahe, wenn die Entscheidung über

die Promotion des Teamstatus von der Gruppe selbst und nicht von dem Teamleiter entschieden bzw.

umgesetzt wird.

Eine Trennung von Hierachieordnungen des Unternehmens und zelebrierter Abstufung der

Teamintegration sind sorgfältig voneinander zu trennen.

Abschiede sind in Ihrer Wichtigkeit unterschätzt, sind aber, wenn halbherzig gehandhabt, verantwortlich

für die meisten Unklarheiten unter den Zurückbleibenden. Jemand, der das Team verläßt, und sei es

wegen einer anderen Aufgabe im gleichen Unternehmen, verläßt unwiderruflich die Vertrauensposition,

die er im Teamgefüge eingenommen hatte. Es ist für die emotionale Entwicklung des gesamten Teams

unerläßlich, dieses Ende klar zu demonstrieren. Am schönsten ist es, dies über gerechtfertigten Dank für

Beiträge des Scheidenden deutlich machen zu können. Dies zu feiern, z.B. mit einer Runde Kuchen, die

der Chef ausgibt (und nicht etwa der, der geht) macht noch im Nachhinein deutlich, daß der Einsatz

gerechtfertigt war und honoriert wird. Es darf aber auch nicht die Aussage fehlen, daß der Scheidende

danach „keiner mehr von uns“ ist. Dies auszudrücken, gibt es wiederum viele verbale und nonverbale

Varianten.

Eine klare Positionierung ist auch dann unerläßlich, wenn ein Teammitglied ohne eigenes Verschulden

zu gehen gezwungen wird (z.B. Stellenabbau und Zwangsversetzung), oder wegen gravierender

Regelverstöße aus eigenem Verschulden gehen muß (fristlose Entlassung). Im ersteren Fall ist es das

Recht der Scheidenden und des zurückbleibenden Teams, sichtbar zu trauern. Und da Corporate Tribe

auf einer eigenständigen Balance von Geben und Nehmen beruht, ist es ist aller Verantwortung, dem

Scheidenden gegenüber das menschliche Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch Dritte

(Umsatzeinbruch, Managemententscheidung) gestört wurde. Anderenfalls übernehmen sowohl

Scheidende wie Bleibende ein unbewußtes Täter-Opfer-Stigma, das die weitere Arbeit belasten wird,

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indem die Leute mental in der Vergangenheit bleiben und die Zukunft betreffende Ängste entwickeln.

Im zweiten Fall, des erzwungenen Abschieds aus eigenem Verschulden, ist zu unterscheiden: Wenn das

Verschulden gänzlich außerhalb des Teams auftrat, kann es dem Scheidenden anheim gestellt werden,

sich vom Team in der Runde zu verabschieden. Denn er hat die Balance von Geben und Nehmen im

Team nicht belastet. Eine wertende Stellungnahme durch den Teamleiter ist zu vermeiden, weder

zuungunsten des Scheidenden noch zuungunsten des Unternehmens. Wenn das Verschulden (auch)

innerhalb des Teams eingetreten ist, ist dem/der Teamleiter/in zu raten, zu dem Vorgang, der zum

Bruch an sich geführt hat, zu schweigen. Klar Stellung nehmen sollte er oder sie als Teil jener Führung,

die vielleicht in selbsterklärender Notwendigkeit gehandelt haben mag, aber auch die Verantwortung

dafür hat, daß über die Trennung leid zugefügt wird: Diese Positionierung entlastet das Team von

diffusen Emotionen der Schuld oder der Verurteilung und setzt gruppendynamischen Ausschlägen von

vorneherein Grenzen – zumindest im Team selbst.

5. Mitwirkung und inneres Wachstum

Rituale und Initiationen bauen „Sichtbarkeitsschwellen“ für individuelles und Gruppenverhalten in den

Teamprozess ein. Diese Sichtbarkeit und Bewußtwerdung sollte nicht reine Form bleiben, sondern von

der Aussicht auf einen konkreten Mehrwert für die Teammitglieder getragen sein. Voranschreitende

Initiation braucht analog spürbar gewachsene Kompetenz und Befugnis. Es gibt heutzutage auch kaum

eine Alternative zum Angebot von emotionalem, sozialem und fachlichem Kompetenzwachstum: Wer

kann angesichts komplexester Marktdynamik schon ernstlich Arbeitsplatzgarantien, Beförderungen oder

andere Sicherheiten versprechen?

Ein Vehikel dafür kann sein, daß dem Team gezielt bestimmte Entscheidungsbefugnisse als

Gruppenentscheidung überlassen werden. Das wiederum ist nur dann ehrlich der Fall, wenn sowohl die

Teamleitung als auch das übergeordnete Management bereit ist, JEDEN denkbaren Ausgang einer

solchen Teamentscheidung zumindest zu tolerieren und zu vertreten. In Reinkultur wird das in der Praxis

nicht funktionieren: Nach meiner Erfahrung genügt es, wenn das Team mindestens 75% der

Entscheidungen, die ihm überlassen wurden, ohne Veto von oben durchbringt. Was bei mir selbst etwas

Übung und Experiment benötigte, war, den Entscheidungsraum so herunterzubrechen, daß ein

konkretes Team mit der Tragweite der Entscheidung nicht überfordert ist. Zuweilen gehört etwas Mut

dazu. Voraussetzung ist auch, daß der Teamchef sich in der Diskussion mit Meinungsäußerungen

zurückhält, und mit manipulativen Signalen sowieso. Hier geht es um authentische Ermächtigung des

Teams. Diese hat nichts mit pseudodemokratischer Entmachtung der Teamführung zu tun: Diese ist es

ja, die die Freiheitsräume des Teams definiert und notfalls wieder entzieht. Ich selbst habe dabei

erstaunliche Erfahrungen damit gemacht, wie Entscheidungen von einer eigens für die

Entscheidungsfindung neu zusammengewürfelten Gruppe, durchgezogen in 90 Minuten einschließlich

des ca. 30-minütigen Einführungsvortrags zur Sachlage und zu den anstehenden Alternativen, zu

hochwertigen und klaren Entscheidungen (>75% der Teilnehmer für ein Ergebnis) führten. Verblüffend

war auch, welcher weitreichende Übereinstimmung mit Unternehmensphilosophie und Projektauftrag

sich manifestierte, und wie selten korrigierende Eingriffe erforderlich waren, wenn den Mitarbeitern für

einen konkreten und beherrschbaren Teilaspekt die kollektive Verantwortung übertragen wurde.

Authentische Ermächtigung des Einzelnen ist situativ zu handhaben, da die Vorqualifikation der

Teilnehmer i.d.R. äußerst unterschiedlich ist. Grundsätzlich sollte aber jede Initiative von

Teammitgliedern, sich außerhalb ihres Kernaufgabenbereichs zu engagieren, dann begrüßt werden,

wenn dieses Thema noch brachliegt oder dort erklärtermaßen Unterstützung gebraucht wird.

Eingetretene Selbstüberforderung sollte sanft als „Lernerfahrung an den eigenen Grenzen“ korrigiert

werden. Jeder Schritt aus über den Kernaufgabenbereich hinaus ist ein Zeichen der Identifikation mit

der übergeordneten Aufgabe und mit dem Gesamtergebnis. Dies als tugendhaftes Verhalten nicht

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einzufordern, doch deutlich zu loben, wenn es auftritt, ist auch ein Signal hinsichtlich des

zugrundeliegenden Wertekanons an die Gruppe.

Überhaupt sind Emotionen, so sie nicht musterhaft oder als Gruppendynamik auftreten, Boten der

Entwicklung und daher per se zu begrüßen. Teil einer Respektkultur wird es, Gefühle zwar zu zeigen,

jedoch bei sich zu behalten. In Veränderungsprozessen, wie z.B. Restrukturierungen, zeigt die Art des

gezeigten Gefühls, wo das Team innerhalb des Veränderungsprozesses steht. Leugnung kommt vor

Rebellion kommt vor Trauer kommt vor Akzeptanz. Damit sind Gefühle oft auch Signale des

persönlichen Wachstums von Teammitgliedern: Deren Äußerung per se zu unterbinden, führt zur

Entwicklungsstagnation und begünstigt Regressionen und emotionale Schleifen. Deren Äußerung zu

kultivieren als etwas, was im Arbeitsablauf des Teams einen beschränkten, aber eben doch gegebenen

Platz hat, führt zu rascherer Teamintegration. Negative Emotionen sind für einen geschulten Teamleiter

die potenteren Gelegenheiten, die Entwicklung des Gesamtteams voranzutreiben. Bei weitem nicht alle

solcher sollten in offener Runde behandelt werden. Es zahlt sich jedoch aus, Emotionalität auch im

Personalgespräch ohne negative Quittung zu belassen und damit dem anderen zu vermitteln, daß der

grundsätzliche Respekt auch gilt, wenn es mal klemmt.

6. Start und Aufbau eines Corporate Tribe

Corporate Tribes müssen i.d.R. aus dem Nichts gestartet werden. Für eine Kerngruppe zu Anfang sollten

- nicht mehr als 10, besser nur 6 Teammitglieder ausgewählt werden. In großen Runden ist es nicht

möglich, eine rasche innere Entwicklung der Gruppe zu inspirieren. Taktisches Verhalten wird sonst

nachhaltig vorherrschen, das Wagnis einer schrittweise authentischeren Präsenz wird von den

einzelnen nicht eingegangen werden, ein eigener Wertekanon wird sich nicht etablieren

- Motivation und Integrität der Teilnehmer bei der Auswahl einen noch höheren Stellenwert haben

als die rein fachliche Kompetenz

- die Hauptaspekte der Aufgabe dennoch in der Gruppe als Repräsentant des Gesamtbildes vertreten

sein. Diversität (Geschlechter, Fachrichtungen, Temperamente) ist also von Anfang an angesagt

Für die Organisation gilt zunächst, was für jede gute Teamführung gilt: Klare Zielvorgaben, klare

Delegation, etc.. Ich halte es für keinen Fehler, die Resilienzfunktion der Gruppe als mittelfristiges Ziel

(relativ zum Zeithorizont des meist begrenzten Arbeitsauftrags) offen anzusprechen. Stationen der

Manifestation sind:

- Etablierung eines Respektraums in der Gruppe: Erfolgreiche Absage an rhetorische Rangkämpfe,

rein statussichernde Diskurse, gruppendynamische Rollenspiele

- Coaching für Einzelne, die um Unterstützung bitten und diese für sich tatsächlich annehmen

- fachliche und emotionale Unterstützung aus der Gruppe

Ein Grund zum Feiern ist der Moment, wo die Gruppe erstmals geschlossen z.B. wütend wird, weil

einem der ihren von außen Unrecht widerfahren ist. Ob dem so tatsächlich war und was die

möglicherweise berechtigte Außensicht der Dinge ist, ist dann Sache der Moderation, da die Wut im

Weiteren nur schaden würde. Der positive Effekt des ersten, spontanen Moments lag darin, daß die

Gruppe durch (unbewußte) Artikulation eines ‚außen’ („Die dort“) gleichzeitig ein ‚innen’ („Wir hier“) auf

dem emotionalen Horizont erlebt und ab diesem Moment nicht mehr eine Anzahl von Leuten ist, die

Projektbedingt Donnerstags um 14:00 Uhr Zeit in dem gleichen Raum verbringt, sondern eine gefühlte

Solidargemeinschaft. Ich halte es jedoch für ein Zeichen mangelhafter Integrität, solche Situationen um

der Teambildung willen zu provozieren, wie dies manche Führungskräfte zur Stärkung ihrer Machtbasis

betrieben haben sollen (Siehe Abschnitt „Tribalism“)

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7. Jagdgründe und Schutzwälder

Um einen Corporate Tribe erfolgreich und ohne anderweitige Konflikte aufbauen zu können, gibt es

notwendige Grundvoraussetzungen sowie kontinuierlich erforderliche Außenvertretung. Hier kommt

der Teamleiterin oder dem Teamleiter eine besondere Rolle.

Zunächst einmal: Corporate Tribe als gezielte Aktivität

- zielt rein auf die Gestaltung der Binnenfunktion einer Gruppe

- bleibt eng am Arbeitsauftrag der Gruppe orientiert

- erhebt nicht den Anspruch, auch in anderen Abteilungen oder gar im ganzen Unternehmen

umgesetzt zu werden und wird daher nicht beworben oder angedient

- dient damit auch nicht der offenen oder verborgenen Kritik an der Arbeitsweise anderer

Sie werden feststellen, daß es bei dem Versuch, ein Team als Corporate Tribe zu entwickeln, in der

Praxis gar nicht so einfach bleibt, die vorgenannten Grenzen zu respektieren. Sie sollten daher

periodisch bzw. bei allen konkreten Anlässen bewußt in Erinnerung gerufen werden.

Doch selbst wenn es gelingt, die notwendigen Grenzen aus der Gruppe heraus zu respektieren, erfordert

es immer noch Aktivität, die äußeren Voraussetzungen für die Entwicklung eines Corporate Tribe zu

schaffen bzw. zu sichern (Schutzwälder) sowie die Außenaktionssphären des Teams auch in der

Außenbeziehung auszuhandeln.

Der Grund für die erhöhte erforderliche Achtsamkeit liegt darin, daß sich ein Corporate Tribe zumal in

Pionierrolle in einem konkreten Unternehmen von seiner Umgebung in anderer Weise als nur über die

spezielle Aufgabe zu unterscheiden beginnt und dies potentiell Konflikte provozieren kann. Die Aufgabe

besteht darin, die Außenbeziehungen klar zu halten, damit der Gruppenprozess ungestört

voranschreiten kann.

Alle wesentlichen Aktivitäten des Corporate Tribe bzw. der Teamleitung sollten durch klare Aufträge und

Befugniszuweisungen aus übergeordneten Instanzen abgedeckt sein. Dies ist nicht trivial: Ich habe

Erfahrungen mit Unternehmen, in denen selbst periodische Teambesprechungen, unerläßlich für jede

Art von Gruppenentwicklung, Anstoß bei Geschäftsleitung und Kollegen erregten. Wundern Sie sich

dabei nicht über Widersprüchlichkeiten: In einem Fall war es stillschweigend geduldet, daß etliche

Abteilungen in Verletzung der Arbeitszeitregeln regelmäßig ausgedehnte Abteilungsfrühstücke letztlich

rein arbeitsfernen Inhalts ausrichteten. Als aber eine Abteilung dazu überging, regelmäßige

ARBEITSbesprechungen anzusetzen, wurde dagegen vorgegangen, mit der Begründung, hier werde

Arbeitszeit verschwendet. Welche Ängste tatsächlich hinter der Umfeldreaktion lagen, ist leicht

durchschaubar.

Ein natürliches Spannungsfeld erfährt ein Corporate Tribe auch durch Leiter benachbarter Teams, deren

Führungsstil sich wesentlich auf die Verbreitung von Angst (vor Arbeitsplatzverlust, vor Sanktionen)

stützt. Corporate Tribe fördert jedoch relatives, funktionsbezogenes Vertrauen als Arbeitsbasis und

beginnt, für Mitarbeiter eine bis dahin ggf. unbekannte Attraktivität zu entwickeln.

Es kann schon zu Problemen führen, wenn Initiative von weiter unten in der Hierarchie positionierten

Mitarbeitern zugelassen wird und diese eine größere Selbständigkeit erlangen als im Hause gewohnt.

Diese Art von Umfeldproblemen müssen durch Diplomatie teilweise vermieden oder entschärft, zu

einem gewissen Maße jedoch als unvermeidlich ausgehalten werden. Dies sollte zumal in der

Aufbauphase so wenig wie möglich auf die Teammitglieder durchschlagen. Es ist jedoch gerade bei

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hausinterner Eifersucht leider nicht unüblich, einzelne, im Unternehmen schwach positionierte

Personen herauszugreifen und an diesen alles auszulassen, was an Unmut angefallen ist.

Umstände, unter denen ganz von Versuchen, einen Corporate Tribe aufzubauen, abgesehen werden

sollte, sind im Abschnitt über „Tribalism“ erläutert.

Ein Teamleiter, der sein Team in Richtung Corporate Tribe entwickeln möchte, ist daher gut beraten,

- das Reporting zur nächsthöheren Instanz aktiv, regelmäßig und in hochgradiger Transparenz, was

die Arbeitsaufträge angeht, zu betreiben, selbst dann, wenn dies sonst im Unternehmen unklarer

gehandhabt wird

- Führungsbeschlüsse für alle wesentlichen Elemente (Arbeitsauftrag, Teamzielvereinbarung,

Personal- und Personenstundenausstattung, Budget, sonstige Resourcenzuweisungen) zu erlangen

und diese zu protokollieren

- Eine transparente Controllingbasis, eine akkurate Buchhaltung sowie Dokumentation teaminterner

Beschlüsse sicherzustellen

- Regelmäßig Kontakt zu wichtigen anderen Instanzen im Umfeld zu halten. Wichtig hat sich dabei auf

alle drei Horizonte (faktenorientiert, emotional, relational) zu beziehen. Chefsekretärinnen,

Betriebsräte oder Buchhalterinnen, die in der Hierarchie weiter unten stehen, können im

Beziehungsgeflecht unumgängliche Großmächte sein. Emotional sind häufiger Frauen als Männer

der Mittelpunkt eines Unternehmens, selbst wenn Männer als Abteilungsleiter das Geschehen zu

dominieren scheinen

Wenn das Team Eigendynamik zu entwickeln beginnt, schadet es nicht, auch die Ausdehnung der

Aktivtätsfelder mit Aufmerksamkeit zu beobachten (Jagdgründe), um zu verhindern, daß die

Begeisterung oder wachsende Selbständigkeit so weit geht, daß anderweitige Grenzen (eben auch

emotionaler oder relationaler Art) verletzt werden. Teilnehmer in Corporate Tribes neigen dazu, sich

stärker nicht nur mit dem Team, sondern auch mit dessen Aufgabe zu identifizieren und infolgedessen

Auftragsgrenzen zu überschreiten.

Eine „bretthart“ gehandhabte Aufgabendelegation z.B. über ToDo-Listen, „Standing Orders“ und

Prozessdefinitionen ist daher kein Widerspruch zur resilienzfördernden Teamentwicklung, sondern

Grundlage dafür. Die unmißverständliche Verankerung aller Prozesskomponenten in der faktischen Basis

des Teamauftrags gibt dem Teamprozess die nötige Stabilität und hilft, die Grenzen des Teamauftrags

nicht zu überschreiten.

8. Loyalität und multiple Loyalitäten

Teamarbeit in modernen Unternehmen führt ständig zumindest zu dualen Loyalitäten: Teammitglieder

sind fachlich der Teamleiterin unterstellt, personalrechtlich ihrem Vorgesetzten. Corporate Tribe fügt

dem noch gerne hinzu: Loyalitätsbeziehungen innerhalb des Teams wachsen und gewinnen an

Formkraft. Gerade hieraus entsteht ja die resilienzfördernde Wirkung: daß das Team sich wechselseitige

Unterstützung zur Aufgabe macht, und dies führt eben auch zu emotionaler Bindung.

Spannend werden duale und multiple Loyalitäten dadurch, daß eine mehrfach derart gebundene Person

sich mit widersprüchlichen Anforderungen von verschiedenen Seiten konfrontiert sieht.

Dies setzt meist bei ganz trivialen Elementen an: Die Teamchefin fordert regelmäßige Präsenz bei

Teambesprechungen, der Vorgesetzte verlangt Verfügungsautorität über den Tageskalender des

Mitarbeiters, konkret: Kurzfristig auch zum Zeitraum der periodischen Teambesprechung aktuelle

Aufgaben zuweisen zu dürfen, die eine Teilnahme an der Teambesprechung verhindern.

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Oder subtiler: Der Vorgesetzte hat Gründe, Rollenwachstum des Mitarbeiters nicht zuzulassen (zum

Beispiel, weil daraus in seiner Abteilung formale Beförderungs- oder Vergütungsanforderungen gegen

das Unternehmen erwachsen könnten), während der Mitarbeiter im Teamkontext geradezu ermuntert

wird, über seine ursprüngliche Rolle hinauszuwachsen.

Oder auch: Im Team geschehen Dinge, die vertraulich behandelt werden sollten. Der Vorgesetzte

erwartet jedoch, über alle Aspekte des Teams informiert zu werden und betrachtet seinen Mitarbeiter

als sein Auge und Ohr in jenem Team, und der Mitarbeiter ist sich nicht darüber im klaren, wie er die

Loyalitätspflichten seinem Vorgesetzten gegenüber mit der Verpflichtung dem Teamprozess gegenüber

vereinbaren soll.

Solche Dilemmata können für einzelne so belastend sein, daß sie entweder glauben, sich radikal für eine

Seite entscheiden zu müssen, meist durch Ausstieg aus dem Team unter einem Vorwand, oder durch die

Spannung überfordert werden, bis hin zu Krankheit oder Flucht in problematisches Verhalten.

Insbesondere in Deutschland, Italien, Polen oder ähnlichen Geschäftskulturen ist das Gefühl ausgeprägt,

sich einer Seite ganz widmen zu müssen.

Die gute Nachricht ist: Dies ist ein Gefühl, das überwunden werden kann. Und bei lichter Betrachtung

der Situation ist es stets möglich, diese Dilemmata in einer guten Weise aufzulösen und jeder Seite zu

geben, was ihr legitimerweise zusteht und was sie wirklich benötigt.

Es ist ratsam, bei dem Aufbau eines Corporate Tribe hier einen aktiveren Part einzunehmen und

Coaching für Betroffene parat zu halten.

In der konkreten Situation eines solchen Dilemmas sollte auch von der Teamleitung nicht die Sicht

eingenommen werden, das Team bzw. die Teamanforderungen wären „im Recht“. Weder der Verweis

auf Teamaufträge, noch auf Schriftverkehr, Mitteilungen oder Beschlüsse hilft hier. Grundlage der

Lösung ist, den schützenswerten und legitimen Kern auch der widersprechenden Anforderung zu

erkennen und zu benennen. Durch diesen Schritt passiert mehreres gleichzeitig: 1. Das Dilemma des

Mitarbeiters wird anerkannt, er braucht sich weniger „falsch“ zu fühlen, weil er überhaupt ein Dilemma

empfindet. 2. Das Dilemma erweist sich als lokal und beschränkt, also z.B. auf ein bestimmtes Anliegen

beider Seiten bezogen und verliert seine gefühlte Absolutheit (entweder dieses Team oder jene

Abteilung) 3. Der Mitarbeiter findet einen Einstieg darin, seine subjektive Wertung als solche zu

erkennen, und damit den wahren Schlüssel zur Lösung zu erkennen.

In einer Einstiegsphase mag diese Art von Coaching durch die Teamleiterin erforderlich sein. Das mich

faszinierende Phänomen ist, dass z.B. mit Talking Stick geschulte Teams schon recht bald die Fähigkeit

entwickeln, für einzelne Teammitglieder Dilemmata erörternd aufzulösen und einen Weg aufzuzeigen,

wie die legitimen, aber widersprüchlichen Anforderungen vereinbar werden. Sich in diese Fähigkeit zu

entwickeln, ist auch ein entscheidendes Merkmal einer resilienzfördernden Gruppe im beruflichen

Umfeld: Sonst würde die Teamleiterin zum den gesamten emotionalen Horizont beherrschenden

Übervater. So aber wird die Gruppe zum Träger des Einzelnen. Sie kann es auch deshalb tragen, weil

sowohl Anforderungen als auch die Lösungen meist absolut konkret sind: Wer muß wann welche

Informationen erhalten, wer steht in welcher Position einer legitimen Entscheidungskette, wo muß die

personalrechtliche Führung als erstes um Zustimmung gefragt werden, und ganz wichtig: Welche

Dilemmata müssen nicht vom Mitarbeiter selbst, sondern von Teamchefin und Vorgesetzem in direkter

Absprache gelöst werden, wo ist also Rückdelegation nach oben oder Eskalation einer Frage unerläßlich.

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9. „Corporate Tribe“ vs. „Tribalism“

Wir sind uns einig: Wenn jemand sein Team zu seiner Privatsekte ausbauen würde, würde die Firma zu

Recht drastisch dagegen vorgehen. Entscheidend für das Charisma des Faschismus in den 1920er Jahren

war auch die mißbräuchliche, aber besonders professionelle Anwendung von gruppenbildenden

Methoden, wie sie hier beschrieben wurden.

In der Berufsraxis läuft es subtiler, aber in den schädlichen Auswirkungen nicht minder problematisch

für das Unternehmen, das zum Wirt für parasitäre Organisationen wird. Addressiert wird dieses

Phänomen unter Begriffen wie „tribalism“ (Zerfall einer Nation oder eines Unternehmens in sich nach

meist ethnischen oder pseudoethnischen Kriterien hermetisch abschottende Teilgesellschaften),

„empire building“ (aggressive Ausdehnung der Einflußsphäre auf Kosten anderer

Unternehmensbereiche) oder „emporium building“ (Ausbau einer jeglichem Angriff und jeglichem

Zugriff durch andere Bereiche oder die Unternehmensleitung entzogenen Bastion). Diese Phänomene

sind weit verbreiteter, als bewußt ist: Controllercliquen, die Prozesse blockieren können, ohne für die

betriebswirtschaftlichen Folgen mit geradestehen zu müssen, fachlich Verantwortliche, denen wegen

fehlender Personalführungsbefugnis im Projekt das Wasser abgegraben wird, Stabsstellen, die überall

Mitspracherecht haben, Chefsekretärinnen, die faktisch die Tagesordnung kontrollieren: diese Beispiele

sind ebenso alltäglich wie symptomatisch für eine fehlende Balance zwischen Verantwortung und

Befugnis zumindest in einigen Bereichen eines Unternehmens. Genau diese fehlende Balance ist

Voraussetzung für nahezu alle Phänomene des „tribalism“.

Nach herausragendem Ansehen und guter Vernetzung zu streben, ist natürlich und gehört zum

Geschäft. Entrückte Machtpositionen zu schaffen, sich unentbehrlich zu machen, mag verlockend sein.

Leute, die so verfahren, begründen dies vor sich selbst gerne damit, es sei ja im Grunde zum Wohle der

Firma, ohne sie würde der Laden nicht laufen, etc.... Wahr ist dies jedoch nie, und entschuldbar

ebenfalls nicht. Diese Art des Verhaltens schadet immer, durch die bewirkte Erosion an

Gesamtproduktivität, Kollegialität, Motivation und offener Kommunikation. Bedenken Sie:

Provinzfürsten sind beliebte Zielscheiben der nächsten Revolte. Der unangreifbar scheinende

Strippenzieher der Schreckensherrschaft in der französischen Revolution, Robbespierre, landete nur

wenige Wochen später selbst auf der Guillotine.

Zu den gelebten Grundidealen eines Corporate Tribe muß daher gehören:

- Respekt und Achtung

- Wachstum und Förderung der Souveränität des Einzelnen

- Loyale Erfüllung der vom Unternehmen übertragenen Aufgaben

- Gleichgewicht von Geben und Nehmen innen wie außen

Ich empfehle deshalb, bei der praktischen Gestaltung eines Corporate Tribe zu beachten:

- Corporate Tribe funktioniert fast überall, jedoch in einigen Unternehmen mit extremer

Unternehmenskultur nicht. Stellen Sie sich nicht gegen die Firmenkultur. Bei einem in 2008 für seine

Führungsmethoden publizistisch sehr beachteten Einzelhandelsunternehmen z.B. dürfte jeglicher

Teamansatz aussichtslos sein

- Ziehen Sie im Team in offener Ansprache die Grenze zwischen nötiger Integrität und Vertraulichkeit

und Geheimniskrämerei und Informationsblockade klar und immer wieder neu. Der Workflow mit

internen und externen Auftraggebern und Auftraggebern darf nicht für Corporate Tribe

eingeschränkt werden

- Verzichten Sie auf äußere und äußerliche Signale der Teamabschottung, Ausgrenzung oder

Zugehörigkeit, es sei denn, es ist verbindlicher Teil der Kultur des Gesamtunternehmens. Ignacio

López, der vormalige GM- und VW-Manager, veranlaßte seine Teammitglieder unter anderem, die

Armbanduhr rechts statt links zu tragen. Seiner Truppe wurden solche Signale als Zeichen der

 

 

 

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Arroganz ausgelegt. Eine nach innen gerichtete Symbolik entwickelt genügend Kraft und ist

unverfänglicher

10. Fazit

Das vorgestellte Konzept zur Teamgestaltung, hier genannt Corporate Tribe, greift Methoden der

Selbstorganisation und Subsistenz aus traditionalen Gesellschaften auf und modifiziert sie für berufliche

Teamsituationen. Es ist unstrittig, daß die resilienzfördernden Qualitäten des Aufwachsens in einer

sozial intakten Gesellschaft oder Familie durch diese Ansätze bei weitem nicht ersetzt werden können.

Andererseits weisen viele Projekte darauf hin, daß Gruppe in jedem Lebensalter ein ausschlaggebender

Faktor persönlicher Resilienz sein kann und daß sich diese Qualität fördern läßt.

Die Förderung der Resilienz durch das Corporate Tribe – Konzept bedarf definierbarer Voraussetzungen,

bei deren Fehlen dieser Ansatz nicht umsetzbar ist. Corporate Tribe braucht gewisse Freiheitsgrade der

Gestaltung nach innen, im Team, und nach außen. Ferner braucht der Ansatz eine zeitliche Perspektive

von mindestens einem Jahr, um ein Erfolg werden zu können. Anderenfalls fehlt den meisten Beteiligten

die Motivation für das nötige Engagement.

Corporate Tribe kann wie alle stark wirkenden Mittel auch mißbräuchlich angewandt werden und

braucht deswegen eine unzweideutig formulierte ethische Grundlage. Mitwirkung kann niemandem

abverlangt werden, sondern wird durch die Überzeugungskraft der Ereignisse verdient und gewonnen.

Corporate Tribe kann insofern nur ein Angebot des beruflichen Zusammenlebens sein, das anzunehmen

frei bleibt.

Corporate Tribe betont, daß es keine Trennung geben kann zwischen professioneller Aufgabe und

sozialer Komponente. Es geht um die förderliche Gestaltung eben der Arbeitsprozesse, und nicht um

einen sozialen Überbau. Es zeigt sich dabei, daß Koordinationsgespräche, Informationsveranstaltungen

und andere Interaktionen so geformt werden können, daß sie den Prozess der „Stammeswerdung“

integral tragen.

Zeitinvestitionen in Corporate Tribe erfahren auf allen Ebenen einen positiven Return on Investment:

- die Kommunikation läuft zunehmend reibungsfrei

- der Aufwand für typische individuelle Schutzmaßnahmen (Absicherungs-e-mails, interne Verträge,

taktische Verzögerung von Informationsweitergabe...) sinkt

- negative Zeit- und Leistungsfolgen aus emotionaler Belastung geht zurück

- Teilnehmer flüchten weniger in Krankheit

Corporate Tribe erkennt an und greift aktiv auf, daß Kommunikation in Teamprozessen entscheidend ist

und untrennbar auf mindestens drei Ebenen gleichzeitig abläuft: Der fachlich-inhaltlichen, der Ebene der

Beziehungen (von Personen, Organisationen, Hierarchiebenen, Abteilungen, Externen Unternehmen,

Behörden...) sowie der Emotionen. Das konkrete Handeln wird dabei stärker von Beziehungen und

Emotionen geprägt, als gemeinhin anerkannt. Corporate Tribe strebt nicht danach, die „irrationale“

Komponente zu unterdrücken, sondern strebt nach Kultivierung. Die Wirkungskräfte von Beziehungen

werden durch Zeremonialisierung von Abläufen zumindest intern sichtbarer und bewußter gemacht.

Emotionen erhalten einen Platz des Respekts in der Teamsphäre, werden allerdings auch der

Anforderung an respektvollen Ausdruck unterworfen. Corporate Tribe stellt den Unternehmensauftrag

in die Mitte der Teambemühungen, läßt bei seiner Erfüllung jedoch die Präsenz des gesamten Menschen zu.

 

 

 

Teamwork kann man lernen. Wenn man einen Sinn darin sieht, miteinander etwas zu bewerkstelligen, was der Einzelne nicht schafft.

 

 

Jeder spendet seine Kraft dem Ganzen.